Nächste Haltestelle Westhafen. Leinen los!
Kevin Costners Waterworld war also doch kein schlechter Science-Fiction-Film, sondern kühne Zukunftsvision? In Köln und zahlreichen anderen Städten an Flüssen sollen bald Wasserbusse das Verkehrsproblem lösen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Staus und überfüllte Busspuren sind nicht zu befürchten.
Gehen wir kurz einen Schritt zurück in der Zeit, so lässt sich feststellen, dass Flüsse vor rund 100 Jahren weitaus stärker genutzt wurden. Während heute hauptsächlich Stehpaddler, Partyflöße und Ausflugsdampfer die Flüsse frequentieren, waren früher mehrheitlich Lieferkähne die Nutzer. Hauptgrund des Untergangs (hier rein metaphorisch gemeint) der LKW. Den Wal der Straße (sorry) möchte inzwischen aber niemand mehr in der Stadt haben.
Die Mobilität der Zukunft muss nicht immer neue Beförderungswege finden. Und was in Bangkok, Dubai oder Venedig funktioniert, sollte man auch hier ausprobieren, denn bekanntlich sind Schifffahrten lustig. (Vor ein paar Jahren hätte sich niemand vorstellen können, Schifffahrt jemals mit drei F zu schreiben.) Dem Mensch widerstreben leider Änderungen, selbst die guten und wichtigen. Smartphones, Homoehe, Hände waschen, Onlinebanking, Impfungen oder Klimaschutz…
Allein schon die Vorstellung ist charmant: Morgens von der Anlegestelle beim neuen Stadtschloss ins Büro bis nach Moabit zu schippern, an Deck die steife Brise im Gesicht, den Kakao in der Hand… #qualitytime #mobilewellness #calmdownandcountwaves
Man nehme etwas Altes und mach es zu Neuem
Ein anderes Konzept, dass nicht aus einem fancy Entwicklerbüro kommt, sondern direkt aus unserer Redaktion, ist OLPUGS. Whuuut? OLPUGS steht für Oberleitungspersonenundgütersystem. (Ja, wir arbeiten noch am Namen…)
Worum geht es? Das klassische Oberleitungssystem wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts eröffnet. Weltweit existierten Anfang des Jahres 2020 insgesamt noch 275 Oberleitungsbus-Betriebe in 47 Staaten. Sie sind überwiegend in Mittelosteuropa, also den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, in China, Italien und der Schweiz anzutreffen.
In Berlin nutzt die Straßenbahn (Tram) diese Technik und letztlich ebenso jeder ICE. Nur die Busse sind weg. Dabei wären sie doch perfekt dafür geeignet. Elektrobusse wären so in der Lage, auch Strecken zu befahren, in denen kein Oberleitungssystem existiert, sich sozusagen auszuklinken und mit Batteriepower die Distanz bis zur nächsten Leitung zu überwinden und müssten zum Nachladen nicht mehr zurück in die Station.
On top: Warengüter, die sonst per LKW durch die Stadt transportiert werden, ließen sich theoretisch bei den zentralen Busbahnhöfen anliefern und sozusagen als Attachement gleich mitnehmen. Es spricht auch nicht dagegen, dass diese Verkehrsmittel autonom gesteuert würden.
Es muss mehr grün und blau ins Stadtbild
Die Bundesstiftung Baukultur hat dem Bund empfohlen, die Mittel für deren Erhalt und Pflege zu verdoppeln. „Grün“ und „Blau“, also Parks und Wasserläufe, sollen gesichert und vermehrt werden. Für Berlin würde das bedeuten, dass die große innerstädtische Autobahn A100 endlich Geschichte wäre. Sie war als Kernstück eines West-Berliner Autobahnnetzes geplant worden und sollte zu einer Ringstrecke vervollständigt werden. Spätere Planungen nach der Wiedervereinigung sind von diesem Plan abgerückt, da er große städtebauliche Einschnitte zur Folge gehabt hätte.
Alternativ ist nun vielleicht ein neuer Kanal möglich, der durch frisch angelegte Parks fließen würde. Klingt tausendmal besser als die Stadtautobahn. Wir haben alle durch den Lockdown und wegen des Klimaschutzes gestiegene Erwartungen bei der Verbesserung unserer Städte. „Urbane Lebensräume“ wurde sehr lange als hippes Buzzword durchgekaut, nun müssen aber auch Alleen mit Bäumen und Platz für die Menschen folgen.
Stadt, Land, Fluss – da war doch was
Spinnen wir diese Ideen weiter. Wo enden alle Straßen? Auf dem Land. Erst im Speckgürtel mit den Eltern derer, die in die große Stadt zogen, um unbedingt was anders zu machen, um durch die Clubs zu ziehen, wild und unabhängig zu sein. Und wir landen bei den Kindern dieser Eltern, die mit spätestens 50 wieder zurück ziehen, weil ihnen dieses wilde Leben zu viel wird und sie einfach nur noch raus wollen. Dazwischen lästern Land und Stadt übereinander, wie doof doch die anderen sind. Dabei sind beide voneinander abhängig – und im Zweifel würde das Land gewinnen.
Wie wäre es mit Kanälen in die Stadt, auf denen regionale Lebensmittel angeliefert werden? Kurze Lebensmittelkreisläufe auf Routen, die im Sommer gleichzeitig die aufgeheizte Stadt runterkühlen?
Statt Innenstadtverdichtung wäre es doch besser, an den großen Ausfallstraßen neuen Wohnraum zu schaffen und Stadtrandbebauung zu stoppen, denn dort liegen meistens die Getreidefelder. Dann könnten irgendwann vielleicht große Apfelplantagen und Tomatenbeete in der Mitte eines neuen Berliner Kiezes liegen und in Fooodblogs würden sich Hipster streiten, ob in Berlin-Henningsdorf oder Berlin-Rüdersdorf die besseren Kohlrabis produziert werden.
Wohngemeinschaften oder neudeutsch Sharing Spaces
Stadtplaner müssen nicht nur sozialen Brennpunkten, Luftverschmutzung, Übernutzung von Grünflächen, Verkehrsengpässen, sondern auch den Verlust des Gemeinschaftsgefühls bekämpfen. Hier kommt die gute alte WG zum Zug. Lasst uns Wohnflächen miteinander teilen. In Großstädten werden Singlehaushalte immer zahlreicher und aufgrund steigender Mietkosten immer knapper. Das Mietshäuser Syndikat (MHS) zum Beispiel ist eine nicht-kommerziell organisierte Beteiligungsgesellschaft zum gemeinschaftlichen Erwerb von Häusern, die in Kollektiveigentum überführt werden. Also statt WohnungsWG gleich eine HausWG.
Langfristig werden somit bezahlbare Wohnungen und Raum für Initiativen geschaffen. Ende 2020 war MHS an 159 Hausprojekten in Deutschland beteiligt. Das Modell sollte auch für Stadtplaner eine ausbaufähige Alternative zum sozialen Wohnungsbau darstellen und mittels Förderung viel stärker forciert werden. Denn dann würde Wohnungseigentum nicht mehr als reines Spekulationsobjekt am Markt sein, sondern ginge einher mit der Verpflichtung sich zu engagieren und dort auch zu wohnen.
Und wenn 2030 ein Mehr-Generationen-Hausboot vom künstlichen Hafen neben dem Mauerpark nach Oranienburg schippert, um Gemüsevorräte aufzufüllen, sind wir in der Zukunft angekommen.