Im Gegensatz zu allen anderen europäischen Ländern gibt es auf den deutschen Autobahnen kein generelles Tempolimit. Wenn du zu den Sportwagenfahrern oder den Lenkern einer großen Limousine gehörst, wirst du das vielleicht begrüßen. Aber stell dich besser darauf ein, dass sich in den nächsten Jahren die Gewichte verschieben werden.
Die Revolution auf den Straßen und Autobahnen ist nicht aufzuhalten. Du wirst Zeuge einer ziemlich bahnbrechenden Veränderung in der Mobilität und auch auf den Autobahnen werden. Zwei Megatrends werden auch hier bald ihre Spuren hinterlassen: das autonome Fahren und die Elektromobilität. Beide Trends werden auch auf der Ebene der Werte, die den Menschen wichtig sind, und der Politik, die über den Verkehr entscheidet, ihre Wirkungen haben. Du kannst diese Veränderung im Denken heute schon bei der Umsetzung der Energiewende beobachten.
Die Rettung des Weltklimas hat zunehmend Priorität vor allem anderen und das ist ja auch gut so. Dramatisch ist die Entwicklung im Elektrofahrzeugsegment. Die Vorteile der Elektromobilität für das Klima auf unserem blauen Heimatplaneten sind so mächtig und die Fortschritte auch in der Batterietechnologie so weitgehend, dass deren Durchbruch spätestens in den Jahren nach 2022 nicht mehr aufzuhalten sein wird. Schnell werden dann mehr Elektroautos als Autos mit Verbrennungsmotoren verkauft werden und nach einigen Jahren werden gebrauchte Verbrenner als Exoten durch die Landschaft knattern.
Elektroautos sind nicht für sehr hohe Geschwindigkeiten gemacht
Je schneller du mit deinem Elektroauto fährst, desto mehr Energie verbrauchst du. Das ist ein physikalisches Gesetz und einfach erklärt. Mit der Geschwindigkeit wächst der Luftwiderstand überproportional. Verdoppelt sich die Geschwindigkeit, vervierfacht sich der Luftwiderstand. Das aber kostet Energie und senkt die Reichweite von Elektroautos massiv. Denk dir, du bist mit einem Tesla unterwegs. Bei einer Geschwindigkeit von 90 Stundenkilometern schaffst du rund 330 Kilometer und kannst immerhin von Berlin nach Hamburg fahren. Wird aber die Geschwindigkeit nur leicht auf 110 Stundenkilometer erhöht, bleibst du nach knapp 250 Stundenkilometern stehen und musst dich bei Zarretin an das Ufer des Schalsees legen, statt pünktlich zum Besuch der Elbphilharmonie einzutreffen. Hamburg wirst du jedenfalls nicht erreichen, ohne vorher nochmal an der Ladestation zu parken.
Beim BMW i3, der kleinere Batterien hat, wirkt sich eine Geschwindigkeitserhöhung noch dramatischer aus. Die Reichweite wird sich im Zuge neuer Batterietechniken zwar weiter erhöhen, aber niemand wird dieses physikalische Gesetz außer Kraft setzen können. Es wird immer Tatsache bleiben, dass die Elektroautos bei hoher Geschwindigkeit schnell erheblich an Reichweite verlieren. Das wird dem Fahrer bewusst sein und die Lust, besonders hohe Geschwindigkeiten zu nutzen, wird abnehmen. Wie es heute aussieht, wird sich die Reichweite schon bei rund 120 bis 150 Stundenkilometern halbieren. Stell dir selbst einmal vor, wenn du die Alternative kontinuierlichen Fahrens einerseits und dem Druck auf das Elektropedal andererseits mit der Folge langer Ladepausen abwägst, wie wirst du dich entscheiden? Bei maximal 200 Stundenkilometern regeln deutsche Elektrolimousinen der Luxusklasse schon heute ab. Es steht also außer Zweifel, dass der Durchbruch der Elektromobilität die durchschnittliche Geschwindigkeit auf den Autobahnen massiv senken wird und ein Tempolimit somit der nächste logische Schritt wäre.
Physikalische Grenzen auch beim autonomen Fahren
Bis zu einem echten Durchbruch des autonomen Fahrens wird es wohl noch etwas dauern, aber es wirft heute schon seine Lichter und Schatten voraus. Vor allem verlangt diese revolutionäre Technologie reduzierte Geschwindigkeiten. Auch hier gibt es ein physikalisches Grundproblem, das vorläufig auch das schlaueste Entwicklungsteam kaum aushebeln kann. Je schneller ein Auto autonom fährt, desto weiter müssen seine Sensoren vorausschauen, um ein sicheres Fahren zu ermöglichen. Heute geht man hier von einer Geschwindigkeitsgrenze bzw. einem Tempolimit von ca. 130 Stundenkilometern auf Autobahnen aus, jenseits derer die zu verarbeitende Datenmenge und die Vorausschau einfach zu groß werden. Kommen laufend schnelle Autos mit über 200 Stundenkilometer von hinten, werden Spurwechsel zu riskanten Manövern. Das aber wird sich so schnell nicht substanziell ändern. Die Freuden des autonomen Fahrens sind mit dem Rausch der Geschwindigkeit kaum vereinbar.
Unter diesen objektiven Bedingungen wird ein Tempolimit innerhalb des nächsten Jahrzehnts auf den Autobahnen ziemlich wahrscheinlich!
Die Gefahren, die etwa ein 250-Stundenkilometer-Pilot mit seinem Verbrenner auf die Piste legt, werden noch einige Zeit für die autonomen Fahrer ein ziemliches Risiko und schon deshalb nicht ohne Konsequenz bleiben. Die politischen Parteien haben dem Elektroauto und auch dem autonomen Fahren ihre Unterstützung zugesagt. Schon die Erreichung der Klimaziele setzt die politischen Entscheider unter Druck. Die Akzeptanz in der Bevölkerung bezüglich eines moderaten Tempolimits wird sich mit dem Durchbruch der Elektroautos positiv verändern. Sobald mehr als die Hälfte der Neuwagen Elektroautos sind und die Menschen die Vorteile dieser Technologie genießen, werden die stolzen Besitzer dieser Klimafreunde nichts mehr gegen ein Tempolimit haben oder sich dieses sogar herbeisehnen. Klimafreundlichkeit und Elektromobilität werden also ziemlich sicher über die Gruppe der nostalgischen Geschwindigkeitsfreunde siegen. Als Trost bleiben dann ja immer noch die Rennstrecken in Deutschland übrig, wo ihr ohne Tempolimit Gas geben könnt. Im Stadtverkehr sind all diese Fragen ja sowieso völlig irrelevant und dem Durchbruch der Elektromobilität steht nichts entgegen.