Supraways ist ein Unternehmen aus Lyon, das ein neues System für den öffentlichen Luftverkehr entwickelt hat. Damit sollen die Randgebiete besser erschlossen und gleichzeitig die Städte entlastet werden. Claude Escala, Präsident von Supraways, erläutert die Entstehung dieses neuen, umweltfreundlichen und innovativen Transportmittels im Interview.
Wie ist Supraways entstanden?
Ich habe den Begriff der nachhaltigen Entwicklung in meinem früheren Beruf in der Solarenergiebranche kennengelernt. Mir wurde klar, wie groß das Problem angesichts der Bevölkerungsexplosion und der Ressourcenknappheit ist. Ich wollte mich an diesem Ansatz der nachhaltigen Entwicklung beteiligen, allerdings aus der Sicht eines Unternehmers. Es war schon einige Jahre her, dass mir ein US-amerikanischer Freund von einem geführten Lufttransportsystem erzählte, an dem er arbeitete. Das Problem: Er konnte den Markt nicht überzeugen. Da ich beruflich damit zu tun hatte, für große Konzerne neue Märkte zu erschließen, schlug ich ihm vor, mir das Ganze einmal anzuschauen. Sein Projekt erschien mir sinnvoll, da in immer engeren und dichteren Städten die Mobilität immer komplexer zu verwalten ist.
Wie schätzen Sie den derzeitigen Verkehr ein?
Heutzutage ist es schwierig, da wir viel Zeit im Verkehr verbringen und mit der Umweltverschmutzung leben. In einer wachsenden Welt (schon jetzt fast acht Milliarden Menschen) gibt es ein echtes Problem mit dem Verkehrsfluss. Wenn man zu lange braucht, um sich in einer Stadt fortzubewegen, leiden alle darunter. Das Verhältnis der Menschen zu öffentlichen Verkehrsmitteln ist meist eher negativ. In diesem Kontext von Städten, die immer dichter werden und wachsen, hat der öffentliche Entscheidungsträger ein Angebot, das letztlich ziemlich begrenzt ist. Einerseits gibt es die U-Bahn für die Städte, die sie finanzieren können, und der Rest beschränkt sich auf bodengebundene Systeme. Je dichter die Stadt ist, desto teurer wird es, neue bodengebundene Transportsysteme einzuführen. Diese Systeme unterteilen den Raum zusätzlich und werden zu Konfliktquellen zwischen Fußgängern, Fahrrädern, Elektrorollern und Autos.
Wir bei Supraways sind der Meinung, dass wir die Stadt „entschleunigen“ und den Stadtbewohnern wieder Zeit und Raum geben müssen. Wir sind übrigens nicht die ersten, die darüber nachdenken. Seit über 100 Jahren gibt es Luftsysteme (das älteste ist die Schwebebahn in Wuppertal aus dem Jahr 1901). Die meisten dieser Systeme sind jedoch letztlich Straßenbahnen, die eine Stufe nach oben geschoben wurden. Das Problem bei diesen Modellen ist, dass sie in der Umsetzung und im Betrieb sehr teuer sind. Die Betriebskosten sind hoch, denn während es in der Hauptverkehrszeit Leute gibt, die sie benutzen und Fahrkarten bezahlen, wird die Finanzierung in den Randzeiten schwierig. Sie haben also Geschäftsmodelle, die langfristig viele Subventionen und somit Steuern und Abgaben erfordern. Dies erklärt den Rückstand bei der Bereitstellung öffentlicher Verkehrsinfrastruktur, wobei die Situation in vielen Ländern und Städten, die mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, alarmierend ist.
Deshalb sind wir der Meinung, dass wir eine Infrastruktur schaffen müssen, die schlank und bedarfsorientiert ist, um die Betriebskosten mit der Anzahl der Personen zu korrelieren, und deren Investitions- und Betriebskosten so niedrig wie möglich sind. Unser Leitmotiv: Bedarfsgerechtigkeit, Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit.
Wie wollen Sie diese Probleme lösen?
Wir zielen nicht auf die Stadtzentren ab, die bereits erschlossen oder extrem dicht besiedelt sind, sondern auf die Außenbezirke. Der öffentliche Verkehr in Großstädten war schon immer sternförmig von den Vororten zum Zentrum organisiert. Inzwischen sind die Vororte dichter geworden, und die Fahrten von einem Vorort zu einem andren Vorort führen durch das Zentrum, es gibt keine andere Wahl.
Wir möchten Supraway-Netzwerke bauen, um eine kürzere und schnellere Alternative zu bieten, indem wir die Stadt umgürten. Diese radialen Verbindungen werden es den Nutzern ermöglichen, von einem Stadtteil zum anderen zu gelangen. Tatsächlich soll Supraways eine Ergänzung sein, die an bestehende Verkehrsmittel anknüpft. Wir werden den Städten vorschlagen, die Parkplätze dorthin zu verlegen, wo das Bauland preiswert ist, bevor es zu einer Verkehrsüberlastung kommt. Die Idee ist es, Menschen zum Umsteigen zu bewegen, die von der Autobahn oder vom Land kommen. Wir bieten von diesen Parkplätzen aus ein sehr schnelles Angebot, das sie durch die Luft zu bereits bestehenden Verkehrsmitteln oder direkt zu ihrem Zielort bringt. Dadurch werden Staus und die Umweltverschmutzung drastisch reduziert werden.
Wie funktionieren die Shuttles von Supraways?
Supraways umfasst alle drei Säulen der nachhaltigen Entwicklung: sozial, ökologisch und wirtschaftlich. Die Idee ist es, ein soziales Transportmittel zu schaffen, das die Menschen gerne benutzen. Unsere Kabinen sind mit Sitzen, Anschnallgurten, Steckdosen und Stauraum konzipiert. Auch die Sicherheit wird durch Fernüberwachungssysteme gewährleistet. Zudem gibt es die Möglichkeit, die private Kabinen zu nutzen – für diejenigen, die dies wünschen und die Kosten dafür tragen. Diese Privatisierung ist übrigens auch in Bezug auf die Nutzung neu. In einem Supras (Name des Fahrzeugs) haben Sie eher das Gefühl, ein Auto zu fahren anstatt in einem Bus oder Zug zu reisen. Die Supras stehen rund um die Uhr zur Verfügung und der Nutzer wählt sein Ziel über eine App oder ein Terminal aus. Es ist ein Transport auf Abruf.
Eines der Hauptmerkmale dieser Art des Transports kommt von der Organisation in einem Netzwerk von miteinander verbundenen Schleifen. Das bedeutet, dass jedes Fahrzeug, das im Sinne der eingebetteten Intelligenz und im energetischen Sinne autonom ist, überall im Netzwerk fahren kann, ohne dass die Passagiere umsteigen müssen. Ohne Zwischenstopps oder Umsteigen wird die kommerzielle Geschwindigkeit der Fahrten dann sehr interessant, wir werden Geschwindigkeiten von 50 km/h in der Stadt anbieten.
Schließlich gibt es keinen Fahrer, es sind autonome Fahrzeuge, denen wir ein wichtiges Hindernis genommen haben: die anderen Verkehrsteilnehmer. Die Unterseite der Fahrerkabinen befindet sich etwa 1,5 Meter über den Dächern der LKWs, in einer Höhe von etwa fünf bis sechs Metern. Die Fahrzeuge werden von einer Schiene geführt, an der sie aufgehängt sind. Der Antrieb erfolgt elektrisch mit an Bord befindlichen Batterien. Aufgrund der elektrischen Energie gibt es kaum Lärmbelästigung und Umweltverschmutzung. Oben schlagen wir solarbetriebene Vordächer vor, um unsere Fahrzeuge mit Solarenergie zu versorgen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Nutzung der Infrastruktur während der Nebenzeiten. Wir werden nämlich weniger Personenfahrzeuge einführen, um Platz für Frachtfahrzeuge zu schaffen. Es ist sehr wichtig für uns, dass wir über das finanzielle Gleichgewicht unserer Systeme nachdenken. Ich möchte, dass unsere Transportlösung nicht mehr kostet als ein Bus- oder U-Bahn-Ticket und dass wir ein Gleichgewicht zwischen Kosten und Einnahmen erreichen. Anstatt langfristig 70 bis 80 Prozent des Systems zu subventionieren, wie es bei allen herkömmlichen öffentlichen Verkehrsmitteln der Fall ist, soll sich unser System selbst finanzieren. Wie soll das geschehen? Einerseits erklärt die Vorfertigung der leichten Infrastruktur und die schnelle Umsetzung der Systeme zu einem großen Teil die äußerst wettbewerbsfähigen Investitionskosten. Andererseits werden die Betriebskosten auf ein Minimum reduziert, mit Fahrzeugen ohne Fahrer und ohne äußere Störungen, die zu Unfällen führen könnten (Flugmodus). Durch die Begrenzung der Kosten und die Diversifizierung der Einnahmen wird die wirtschaftliche Gleichung also saniert und der Aufbau dieser Netze wird möglich.
Unter oder über den Supraways-Stationen können sich auf den ersten beiden Ebenen Gebäude, Restaurants und Einkaufszentren befinden, die miteinander vernetzt sind. Das kann auch eine Logistikstation sein, die als Warenlager dient.
Wie schwierig ist es, die Städte und Gemeinden von Supraways zu überzeugen?
Der öffentliche Verkehr ist im Allgemeinen ein Instrument, das von großen nationalen oder internationalen Konzernen angeboten wird. Wenn Sie sich anfangs allein in das Abenteuer stürzen, mit der Idee, ein neues öffentliches Verkehrssystem zu entwickeln, erhalten Sie von Verkehrsunternehmen und Politik zwangsläufig nur ein müdes Lächeln. Und das ist ganz normal.
Also nahmen wir das Zepter in die Hand und trafen uns mit den Gemeinden und Entscheidungsträgern. Ziemlich schnell wurde uns klar, dass unsere Lösung viele Erwartungen erfüllte. Wir bauten ein Planungsbüro auf und konnten durch Analysen und Studien zur Einführung unserer Supraways-Netzwerke nachweisen, dass unser System Sinn ergibt. Darüber hinaus haben wir 2019 mit der Entwicklung der Technologie begonnen, was das Projekt anschaulicher macht und interessierten Entscheidungsträgern Sicherheit gibt.
Mit welchen Ballungsräumen in Frankreich sind Sie im Austausch?
Wir arbeiten seit drei Jahren mit dem Ballungsraum Saint-Quentin-en-Yvelines in der Nähe von Paris zusammen. Wir haben in diesem Gebiet ein Netz von rund 100 Kilometern konzipiert und befinden uns nun in der Organisations- und Finanzierungsphase. Unser Ziel ist es, zu den Olympischen Spielen (2024) zu eröffnen. Dies wird dem Projekt viel Sichtbarkeit verleihen!
Abgesehen davon haben wir weitere Ansiedlungen von Supraways-Netzwerken in Gebieten wie dem Ballungsraum Versailles Grand Parc, dem Département Moselle mit der Verbindung zwischen Luxemburg und Thionville oder dem Gebiet der Westküste auf La Réunion untersucht und an der Verbindung zwischen dem Flughafen Lille-Lesquin und dem Zentrum von Lille gearbeitet.
Wir untersuchen außerdem zusammen mit zwei Departements der Pyrenäen und dem Großraum Pau eine Version des Systems in den Bergen. Das Auto verschmutzt die Täler enorm und wir untersuchen, wie wir unsere Technologie anpassen können, um die Städte näher an die Urlaubsorte und Sehenswürdigkeiten zu bringen und sich dabei in die Landschaft zu integrieren. Wir haben auch Anfragen aus dem Ausland (Asien, Naher Osten, Afrika, Schweden, Kanada, USA).
Haben Sie keine Befürchtung, dass Ihr Projekt aktuell noch zu futuristisch ist und den Menschen möglicherweise Angst macht?
Wir sind in Gesprächen mit internationalen Konzernen über den Bau der Fahrzeuge. Die Supraways-Technologie sieht sehr futuristisch aus, aber in Wirklichkeit verwenden wir ausgereifte technologische Bausteine wie den Elektroantrieb, die Reifen oder das Bremssystem. Darüber hinaus haben wir das Glück, von vielen Experten, die oft ehrenamtlich arbeiten, begleitet zu werden, und sind äußerst erfreut, die Fortschritte zu sehen, die in fünf Jahren Arbeit erzielt wurden.
Glauben Sie, dass aktuelle Themen wie Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Klimawandel Ihr Projekt beschleunigen könnten?
Insgesamt gesehen helfen uns die Corona-Pandemie und das Bewusstsein für die Dringlichkeit der Umweltproblematik, da wir den Transport des ökologischen und energetischen Wandels verkörpern. Unsere elektrischen und autonomen Fahrzeuge verschmutzen die Umwelt nicht und die Fähigkeit unserer Systeme, Kurven und Steigungen zu bewältigen, ermöglicht es, in öffentlichen Korridoren zu bleiben, ohne dass Eigentum überflogen wird oder Enteignungen erforderlich sind.
Wir wissen, dass wir noch einen weiten Weg vor uns haben, aber wir sind zuversichtlich, weil wir sehr viel positives Feedback erhalten haben und weil jetzt strategische und industrielle Partnerschaften diskutiert werden.
Mehr Informationen: supraways.com