München macht einen auf Wuppertal? Nicht ganz. Die Idee zu der Schwebebahn, deren Teststrecke erst in der vergangenen Woche den ersten Schritt bzw. Spatenstich machte, hat eine andere Inspiration. Doch lesen sie selbst, was hinter der Idee steckt, Passagier- und Warengondeln über München oder vielleicht auch bald anderen deutschen Großstädten kreisen zu lassen. Wir haben dem Managing Director und Can-Do-Officer Marc Schindler ein paar interessant Fakten entlocken können:
Q: Hallo Herr Schindler! Wie hat es sich angefühlt beim Spatenstich für das Projekt dabei zu sein und zu sehen, dass die Idee zur Realität wird?
A: Das fühlte sich ausgesprochen gut an. Wir haben in den vergangenen drei Jahren sehr viel Herzblut, Gehirnschmalz, Geld und Zeit in die ottobahn investiert, wir haben moduliert und simuliert. Jetzt nimmt aber die Teststrecke wirklich Gestalt an, aus Theorie wird Praxis, das ist ein unbeschreibliches Gefühl und unser gesamtes Team hat sich entsprechend gefreut. Dergleichen macht man nicht alle Tage.
Q: Wie verrückt muss man sein in einer Stadt wie München, wo doch sehr viele Menschen noch auf ihr eigenes Auto als die ultimative Mobilitätslösung zählen, solch ein Projekt ins Leben zu rufen?
Alle Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt ärgern sich doch tagtäglich über den Verkehr, den Stau, den Stress, die Umweltbelastung. Die eigentliche Inspiration zur ottobahn lieferte allerdings ein Urlaub in der ungleich größeren Metropole Bangkok. In Bangkok müssen sehr viel mehr Menschen befördert werden und der dortige Skytrain, der den Straßenverkehr ebenfalls überflügelt, war schon eine sehr gute Idee. Wir haben uns die Zahlen angesehen und verstanden, dass wir eine flexible, grüne und günstige Lösung anbieten können.
Q: Wie konnten Sie Kerstin Schreyer, ehemalige bayerische Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr sowie die Investoren, davon überzeugen die Teststrecke zu bauen, und warum gerade in München?
Es ist wahr, dass Frau Schreyer eine sehr große Anhängerin der ottobahn ist, wofür wir ihr sehr dankbar sind. Natürlich mussten wir neben ihr auch Gremien überzeugen. In diesem Fall wurde eine Baugenehmigung des Landratsamtes München benötigt und im Vorfeld waren wir auf das Interesse der Gemeinde Taufkirchen angewiesen. Auf der Investorenseite ist es ähnlich. Es gilt die Menschen zu finden, die den Mehrwert und das Businesspotential der ottobahn erkennen. Ich bin sehr glücklich, mit dem Ökovation Ventures Fond einen sehr starken Lead Investor gefunden zu haben, der die Innovations- und Umsetzungsstärke des Deutschen Mittelstand vereint. Insgesamt registrieren wir von sehr vielen Seiten Zuspruch. Und so eine Teststrecke ist natürlich ein tolles Schaufenster und zeigt die Innovationsbereitschaft des Landes Bayern.
Q: Haben Sie schon eine Idee, wo das Streckennetz nach der Planungsphase verlaufen soll ?
A: Als Münchner Unternehmen würden wir natürlich gerne zuerst München bedienen, aber uns liegen Anfragen aus Deutschland und der ganzen Welt vor. Wir sind selbst sehr gespannt, durch welche Stadt die ottobahn als erstes rollen wird.
Q: Wie viele Personen können in einer Gondel der Ottobahn Platz nehmen und mit wie vielen Gondeln planen Sie, in Betrieb zu gehen?
A: Es wird verschiedene Varianten von Kabinen geben, etwa Solo-Kabinen oder solche für bis zu vier Nutzer:innen. Auf der Teststrecke werden zunächst fünf Kabinen ihre Kreise drehen.
Q: Die Gondeln sollen laut ihrem Konzept nicht nach einem festen Fahrplan an der Hochbahn fahren, sondern per App gerufen werden. Befürchten Sie nicht eine Knappheit an Gondeln in Stoßzeiten, wenn die Bürozeiten beginnen und enden?
A: Das ist ein wichtiger Punkt. Im Kern ist ottobahn ein Software-Unternehmen. Dem System liegt eine KI zugrunde, die in Echtzeit entlang der Strecke stets die bestmögliche Auslastung gewährleistet und dafür sorgt, dass sich die Kabinen nicht ins Gehege kommen. Und diese KI lernt natürlich dazu. Wenn Sie ein regelmäßiger mit fixen Nutzer Arbeitszeiten sind, dann würde Ihre Kabine etwa jeden Tag um 17:02 an Ihrem Arbeitsplatz auf Sie warten, das macht die Auslastung also ein wenig berechenbar für uns. Außerdem wird es eben verschiedene Varianten von Kabinen geben. Wie bei einem Fahrstuhl kann man sich also Kabinen auch teilen, wenn man die gleiche Fahrtrichtung hat. Ein zusätzlicher Anreiz beim Ride-Sharing ist natürlich, dass sich das auf den Tarif auswirkt.
Q: Was soll eine Fahrt mit der Ottobahn ihrer Meinung nach kosten? Wo sehen Sie die Vorteile gegenüber dem vorhandenen ÖPNV?
A: Im ÖPNV werden sich die Preise für eine Fahrt an den bestehenden Tarifstrukturen orientieren. Das hängt aber letztlich vom jeweiligen Betreiber ab. Die Erstellungs- und Betriebskosten werden deutlich geringer sein, als bei den derzeit genutzten Verkehrssystemen.
Q: Sehen Sie auch Synergien mit anderen Mobilitätslösungen? Wie sieht es mit der Mitnahme von Fahrrädern, Rollern etc aus?
Unbedingt, das war uns wichtig. Die intelligente Verzahnung unterschiedlicher Systeme ist die Lösung, gerade auch für die letzte Meile, denn die ottobahn soll vor allem entlang bestehender Hauptverkehrsachsen entstehen. Unsere Kabinen werden so geräumig sein, dass unsere Nutzer:innen problemlos ihre Fahrräder, Roller etc. verstauen können. Nehmen Sie gerne den Drahtesel mit an Bord und tun Sie was für Ihre Gesundheit und die der Stadt! Übrigens können unsere Kabinen nicht nur Personen befördern, sondern auch Güter.
Q: Wann denken Sie, ist die Testphase vorbei. Wann könnte mit dem Bau einer belastbaren Strecke begonnen werden?
Voraussichtlich im Herbst steht unsere Test- und Referenzstrecke in Taufkirchen. Dann heißt es, technische Daten sammeln: 100.000 Testkilometer müssen unsere Gondeln auf dem Oval leisten. Wenn es jedoch nach den Wünschen des Taufkirchner Gemeinderats geht, könnte die Teststrecke später Teil der ersten kommerziellen Verbindung zwischen dem Ludwig-Bölkow-Campus in Ottobrunn und Taufkirchen und dem Karl-Preis-Platz im Münchner Stadtteil Ramersdorf werden. Wir hätten nichts gegen. Konkret hoffen wir uns schon im nächsten Jahr auf den Bau einer kommerziellen Strecke zu einigen und direkt in die Planung einzusteigen.
Q: Was antworten Sie Kritikern, die behaupten, dass solch eine Hochbahn das Stadtbild negativ beeinflusst?
A: Wuppertaler würden vielleicht vehement widersprechen, avancierte die dortige Schwebebahn doch zum geliebten Wahrzeichen der Stadt, das Stadtbild profitierte also davon. Berlin, Hamburg und Chicago haben ebenfalls eine Hochbahnstrecken, die kaum wegzudenken ist. Klar, es ist nicht so, dass wir gar nicht zu sehen sein werden, aber unsere Strecken werden sich an bestehender Infrastruktur orientieren und vor allem den Hauptverkehrsachsen folgen. Die Pfeiler für unsere Strecke sind dabei keinen Meter breit, die ottobahn versiegelt auch keine neuen Flächen und zur Not ist der Rückbau kein Problem. Eine nennenswerte akustische Beeinträchtigung gibt es ebenfalls nicht.
Q: Was ist Ihre Vision? Wie soll die Ottobahn die Verkehrslage in der Stadt positiv beeinflussen?
Wir begreifen uns als sinnvolle Ergänzung zu bestehenden Verkehrslösungen, wir wollen und können nicht den kompletten Verkehr ersetzen. Aber wir können dafür sorgen, dass die Menschen schneller von A nach B kommen, ohne dass sie sich durch den Stau der Rushhour quälen müssen. Verkehr muss vor allem auch umweltfreundlicher werden. Die ottobahn wird emissionsfrei unterwegs sein. Außerdem planen wir, die Schienenstränge zu begrünen, so dass wir einen ähnlichen Effekt auf das innerstädtische Mikroklima erzeugen wie etwa die High Line in New York, die ja inzwischen eine Touristenattraktion ist.
Q: Und woher kommt eigentlich der Name Ottobahn ? Wurde da ein gewisser Flugpionier als Namenspate genutzt ?
A: Nicht ganz. Obwohl wir die Leistungen des Preußen Otto Lilienthal für die Mobilität sehr zu schätzen wissen, schlägt unser Herz als Bayern doch lokalpatriotisch. Der Name erinnert einerseits an König Otto I. von Bayern und klingt sehr ähnlich wie Autobahn im Englischen, was dann auch international erkennbar ist.
Weitere Informationen: https://otto-bahn.de/