Momentan ist das Thema etwas aus dem Fokus gerückt, aber viele Städte stehen vor dem Verkehrskollaps. Einige Länder wie China haben die Notbremse getreten. Dort gleicht es einem Lotteriegewinn, wenn man ein Auto zugelassen bekommt. In anderen Teilen der Welt sind die Zahlen allerdings fleißig am Steigen. Die Infrastrukturen sind bereits an ihren Belastungsgrenzen angekommen. Die Blechlawinen in den Metropolen, verursachen CO2 Emissionen, die in krassem Widerspruch zu den anvisierten Klimazielen stehen.
Doch wie kann die Trendwende gelingen?
Kann eine Stadt wirklich autofrei funktionieren?
Welche Voraussetzungen müssen dafür geschaffen werden?
Wird die Individualität der Stadtbewohner eingeschränkt, wenn sie ihr Auto in der Stadt nicht mehr bewegen dürfen?
Chance statt Einschränkung: Vorrang für Rad- und Fußverkehr
Den umweltschonenden Verkehrsmitteln muss mehr Geltung verschafft werden, allen voran dem Rad- und Fußverkehr, gefolgt vom Öffentlichen Personennahverkehr. Eine weitere Strategie ist die Vermeidung von Verkehren, sei es für den Transport von Personen oder Gütern. Da wäre zum einen der häufigere Einsatz von Telearbeit oder die Strategie von Amazon Bestellungen zu sammeln, bevor man sie einzeln verschickt.
Leichter, effizienter, klimafreundlich
Der motorisierte Verkehr muss effizienter werden, das heißt, nicht nur eine verbesserte Technik, also beispielsweise Batterien und Wasserstoff einzusetzen, sondern das Fahrzeug als Ganzes auf den Prüfstand zu stellen. Die deutsche Post hat hier beispielsweise gute Vorarbeit geleistet, indem sie mal eben eigene elektrifizierte Lieferfahrzeuge produziert hat, weil kein Autohersteller den Vorgaben entsprach. Kommunen müssten hier mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Flotten umrüsten. Sie haben am ehesten die Möglichkeiten. Denn sie verfügen in den meisten Fällen bereits über eine gute Infrastruktur.
Laut einer Studie des Bundesumweltamtes liegt die Motorisierungsquote in deutschen Großstädten bei 450 Fahrzeugen pro 1000 Einwohnern. Als erstrebenswert gelten lediglich 150 PKW pro 1000 Einwohner. Legt man diese Studie zu Grunde, hat Stuttgart Mitte bei einer Einwohnerzahl von 21.000 etwa 9450 PKW auf nicht mal 4 Quadratkilometer.
Was tun die Städte dagegen?
Nehmen wir das Fallbeispiel Stuttgart: Die Stadt befreit den Innenstadtbereich vom Parkverkehr. Es geht nicht um ein generelles Fahrverbot. Zugleich werden Flaniermeilen und Aufenthaltsangebote für Fußgänger entwickelt. Ungenutzte PKW verbrauchen viel Platz, da schlummern enorme Kapazitäten. Das Anwohnerparken soll in leerstehende Parkhäuser verlagert werden. Natürlich wird man hier zur Kasse gebeten werden, dafür würde aber die nervige Parkplatzsucherei wegfallen.
Bisher liegt der motorisierte Wegeanteil in Großstädten bei 60 %. Bus und Bahn kommen auf ein Viertel. Nur etwa 16% bewegen sich per Rad oder zu Fuß.
Anreize schaffen
Verkehrsplaner reden gern von einer Push- und Pull-Strategie, also Einschränkungen und Anreizen, um die Anwohner dazu zu bringen, das Auto stehen zu lassen und andere Verkehrsmittel zu benutzen. Eine Maßnahme wäre ein deutlich vergünstigtes Bürgerticket, z.B. für 365 Euro im Jahr, mit dem sich alle Angebote des ÖPNV benutzen lassen. Das Modell Luxemburg, wo alle Busse und Bahnen jetzt kostenlos genutzt werden dürfen, ist sicher ein Idealbild, aber aufgrund der Größe und Struktur von verschiedenen Städten sicher nicht überall realisierbar.
Dazu müssen Autofahrer von den Vorteilen überzeugt werden:
- Nicht auf den Verkehr konzentrieren müssen und entspannen
- Während der Fahrt Nachrichten oder ein Buch zu lesen, Musik zu hören
- Warum nicht mal testweise einen autofreien Tag probieren, an dem alle Autofahrer dazu ermutigt werden den Nahverkehr selbst ein Mal auszuprobieren?
Anzustreben sind laut Wuppertal Institut 75% für den öffentlichen Nahverkehr inkl. Fuß- und Radwege.
In der Innenstadt von Erfurt zum Beispiel hat man den Innenstadtverkehr konsequent auf die Anwohner beschränkt. Zürich und Wien geben ebenfalls gute Beispiele ab. Dort wurden teils durch Abstimmungen der Bürger Straßenzüge vom Autoverkehr befreit. Bürgerbeteiligung statt Vorschrift von oben herab ist die Zauberformel, die offensichtlich gut ankommt.
2030 – Wendepunkt in der Mobilität ?
Eine andere Studie des Marktforschungsunternehmens KANTAR kommt zum Schluss, dass 2030 den Wendepunkt in der Mobilität vieler Menschen darstellt. Für die „Mobility Futures“ genannte Studie hat das Institut über 20.000 Bewohner in 31 Großstädten weltweit befragt und die Ergebnisse 53 Experten zur Bewertung vorgelegt.
Kantar sagt voraus, dass nachhaltige Verkehrsmittel die Autonutzung im nächsten Jahrzehnt überholen werden.
Öffentliche Verkehrsmittel, Radfahren und zu Fuß gehen machen laut Vorhersage insgesamt 49% aller Fahrten innerhalb der Städte aus, gegenüber 46% für Autos.
Dem Radfahren wird der größte Anstieg vorausgesagt, da die Zahl der Autofahrten abnimmt.
Die Studie kommt zu dem Schluss dass in den 31 untersuchten Städten 25% der Menschen jetzt schon andere Transportmöglichkeiten nutzen würden, und in den nächsten 10 Jahren 10% der Menschen ihr Mobilitätsverhalten tatsächlich ändern werden.
Die Spanne reicht hier von 21 % in São Paulo bis zu 2 % in Peking.
Fast 37 Millionen Menschen werden ihr Mobilitätsverhalten bis 2030 verändern
Ein Faktor, der hier auch nicht außer Acht gelassen werden darf: In vielen Großstädten wie Moskau, Jakarta und Mumbai, sind die Menschen bereit ihre Mobilität zu ändern, aber scheitern an fehlender Infrastruktur.
In anderen Metropolen ist die Infrastruktur bereits gut ausgebaut, aber die Anwohner hängen noch in alten Bewegungsmustern fest, und bevorzugen den Individualverkehr mit dem Auto.
Fazit
Es ist noch viel zu tun. Von Seiten der Regierungen und Städte, die die Angebote für den ÖPNV verbessern müssen, als auch bei der Gesellschaft, die ihre Einstellung ändern muss, zu persönlicher Freiheit im täglichen Verkehr.
Eins steht fest, und das wird in diesen Tagen deutlich wie nie: Weitermachen, wie bisher geht einfach nicht. Jeder Einzelne muss an sich arbeiten, um unseren Kindern einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen.