Autos sind nicht nur eine Gefahrenquelle für Fahrradfahrer und Fußgänger und verursachen jedes Jahr Probleme durch Treibhausgase, sie nehmen auch viel Platz weg. Zwischen Straßen, Parkplätzen, Parkhäusern und anderen Einrichtungen geht viel Platz verloren, der stattdessen für Grünanlagen, Begegnungsstätten und Fahrradwege genutzt werden könnte. Je nach Stadt können 15 bis 25 Prozent der Fläche auf Straßen entfallen. Car Sharing + Mikromobilität, Anreize für weniger Autofahrten, eine Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs und Verbote sowie verkehrsberuhigte Zonen sollen hier Abhilfe schaffen, doch jede Kommune in Deutschland kocht in diesem Bereich ihr eigenes Süppchen und verfolgt eine eigene Strategie. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich an unterschiedlichen Lösungen ohne Gesamtkonzept und mit wenig Aussicht auf nachhaltigen Erfolg. Dass es auch anders geht, zeigen sogenannte Superblocks, ein verkehrspolitischer Ansatz aus Spanien. Hier erfährst du, was es damit auf sich hat, welche Pilotprojekte es in Deutschland gibt und vor welchen Problemen diese stehen.
Was sind Superblocks?
Superblocks sind ein verkehrspolitischer Ansatz, der vom katalanischen Ingenieur und Biologen Salvador Rueda entwickelt wurde, um die Anzahl an Autos im Innenstadtbereich zu reduzieren. So soll dieser lebenswerter und gesünder werden und auch die Lärmbelastung reduziert werden. In Untersuchungen stellte Rueda fest, dass einzelne Verbote oder Anreize an der Vielzahl unterschiedlicher Gründe, derentwegen ein Auto benutzt wird, scheitern würden. Stattdessen entwickelte er einen Ansatz, bei dem das eigene Auto selbst weniger nützlich wird. Für die Entwicklung der Superblocks schlug Rueda vor, neun der charakteristischen Blocks, aus denen Barcelona besteht, zusammenzufassen. Die Straßen in diesen Superblocks sind nur in Schrittgeschwindigkeit befahrbar und nur für Anwohner, Zulieferer und anderen unvermeidbaren Verkehr geöffnet. Reine Durchfahrten sind verboten. Zudem macht ein Wegfall von Parkplätzen das Befahren der Superblocks unattraktiv. Der so gewonnene Platz wird als Fußgängerzone genutzt und mit viel Raum für Begegnungsstätten und Grünanlagen umgestaltet. Ein gesunder Mix unterschiedlicher Geschäfte und Wohnraum in unterschiedlicher Qualität sorgen dafür, dass die Bewohner für Besorgungen den Superblock nur selten verlassen müssen. Der städtische Verkehr verlagert sich dabei auf die Straßen zwischen den Superblocks. Derzeit bestehen 6 Superblöcke, 15 weitere sind in Planung.
Pilotprojekte in Deutschland
Nachdem das Konzept der Superblöcke in Barcelona nach anfänglichen Protesten bei Bewohnern und in der Politik exzellent aufgenommen wurde, orientieren sich auch andere Städte in zahlreichen Ländern mehr und mehr an diesem Beispiel. In Paris, Brüssel und Oslo sowie zahlreichen weiteren Städten wurden Superblocks oder von diesen inspirierte, alternative Planungsprojekte umgesetzt und verringern das Autoaufkommen in der Innenstadt. Auch in Deutschland gibt es erste Städte, die sich an diesem Konzept orientieren. So sind in Darmstadt sogenannte „Heinerblocks“ in Planung, die für Durchgangsverkehr gesperrt sind und in denen eine Reduktion der Parkplätze diesen Bereich für Autofahrer für weniger attraktiv machen soll. Der zusätzliche Raum soll mit Spielplätzen, Bäumen und Sitzecken gefüllt und so den Fußgängern und Anwohnern eröffnet werden. In Wiesbaden wurde am „Superblocksonntag“, dem 3. Juli 2022, der Innenstadtbereich für den Durchgangsverkehr gesperrt und das Konzept von über 10.000 Besuchern begutachtet und überwiegend positiv aufgenommen. Und auch der Graefe-Kiez in Berlin und Eimsbüttel in Hamburg sollen, wenn es nach dem Willen einiger Vereine und Politiker geht, zu Superblocks werden. Dabei stehen diese jedoch vor zahlreichen Herausforderungen, die gelöst werden müssen, damit Anwohner überzeugt werden können und diese Konzepte Erfolg haben.
Herausforderungen an deutsche Städteplaner
Barcelona ist allerdings aufgrund seiner historischen Struktur für das Konzept der Superblocks wie geschaffen. Die Stadt ist in zahlreiche Wohnblocks aufgeteilt und gleicht aus der Vogelperspektive einem Schachbrettmuster. Die Aufteilung der Stadt in Superblocks mit ausreichend Verkehrsadern zwischen diesen fällt deshalb leicht. In deutschen Städten, deren Struktur deutlich variabler ist, lassen sich Superblocks weniger gut definieren. Das Konzept erfordert einen in sich geschlossenen, räumlich begrenzten Stadtteil, in dem es sowohl Wohnraum als auch Geschäfte und andere Ziele gibt, welche die Bewohner fußläufig erreichen können und auch wollen. Reine Wohnviertel, Einkaufsmeilen oder Gewerbegebiete sind für diesen Ansatz weniger geeignet. Gleichzeitig muss zwischen den Vierteln ein ausreichender Verkehr möglich sein, damit Anwohner zu ihren Vierteln und Arbeitsplätzen gelangen und auch die Zulieferung von Waren an die Geschäfte reibungslos funktioniert. Eine Möglichkeit für die Umsetzung in Städten mit weniger schachbrettartigen Mustern sind sogenannte Miniblocks, wie sie die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) in Dübendorf entwickelt hat. Diese aus nur vier Wohnblocks bestehenden Einheiten lassen sich deutlich leichter in heterogen gestalteten Städten definieren und umsetzen. Hauptverkehrsadern werden aus dem Konzept ausgenommen. Nach Untersuchungen der EMPA könnte in Frankfurt und München ein Viertel aller Straßen durch Superblocks verkehrsberuhigt werden, in Berlin 19 Prozent, in Hamburg und Freiburg etwa 10 Prozent. So sind Superblocks ein Puzzleteil in der großen Herausforderung, vor denen deutsche Städte stehen, wenn sie ihre Straßen verkehrsberuhigt gestalten und für die Anwohner öffnen wollen.